Haus Betlehem – 09.04.2023
Heute war es etwas ruhiger vor unserem ArztMobil. Vielleicht hat doch der eine oder andere eine Möglichkeit auf ein Osteressen irgendwo bekommen. Dadurch bleibt uns heute etwas mehr Zeit, auch mal einen kleinen Plausch mit den Patienten zu halten. H. betritt gut gelaunt das Mobil. Eigentlich möchte sie nur etwas gegen Schnupfen haben. Beim Erzählen bricht sie dann plötzlich in Tränen aus. Sie habe so Angst, ohnmächtig zu werden, sobald sie etwas esse. Deshalb esse sie nur noch sehr wenig und in winzigen Portionen. Ob das normal sei möchte sie wissen. Nein, „normal“ ist das sicher nicht. In einem reichen Land wie Deutschland auf der Straße leben zu müssen, ist es aber sicher auch nicht. Psychische Erkrankungen sehen wir sehr häufig bei unseren Patienten. Leider sind diese nicht so leicht zu behandeln, wie ein Schnupfen oder körperliche Schmerzen. Erst recht, wenn man keinen festen Wohnsitz hat.
I. hat schlimme Zahnschmerzen. Beim Blick in den Mund des 35 jährigen wundert uns das nicht: von seinen noch verbliebenen 14 Zähnen ist die Hälfte auch schon in erbärmlichem Zustand. Er bedankt sich sehr für ein paar Schmerztabletten und die Adressen des Zahnarzt-Mobils, das mittwochs vor dem Hauptbahnhof steht.
Zwei etwas zerstreut wirkende Jugendliche mit löchrigen Hosen und verdrecktem Gesicht tauchten heute zum ersten Mal am ArztMobil auf. Sie fragten nach etwas Warmem zu Essen. Bei genauerer Betrachtung fiel schnell auf, dass die beiden sehr jung sind, gerade einmal 14. Wir hatten kaum ein paar Worte mit ihnen gewechselt, wobei es hauptsächlich um Möglichkeiten ging, etwas warmes zu Essen zu bekommen, da waren die beiden schon wieder verschwunden.
Das ganze hinterließ uns schon etwas ratlos: Woher kamen die Kinder? Lebten sie etwa auf der Straße? Ganz sicher besorgniserregend sich vorzustellen, sie seien ganz alleine. Möglich ist es, laut Deutschem Jugendinstitut lebten zwischen 2015 und 2017 ca 6500 Minderjährige in Obdachlosigkeit.
Die anderen Wartenden vor dem Arztmobil hatten diese Jugendlichen ebenfalls noch nie gesehen… Bleibt zu hoffen, dass sie irgendwo wenigstens niedrigschwellige Anbindung finden.
Wir werden jedenfalls in Zukunft ein besonderes Augenmerk darauf legen.
Trotz allem schließen wir unsere Schicht heute gut gelaunt, denn auch heute haben wir wieder so viel Dankbarkeit und positive Energie von unseren Patienten zurückbekommen. Wer die Not sieht, muss handeln.
Im Team heute:
Anna, Anni, Linus und Dalia